Hitler Jugend oder Bund Deutscher Mädel

HJ und BDM

Frühzeitig hatte die Führung der NSDAP erkannt, wie wichtig die Indoktrination der Jugend war, um ihre Herrschaft im „Tausendjährigen Reich“ langfristig zu sichern. Es galt die Kinder und Jugendlichen möglichst früh aus ihren familiären und Schichtspezifischen Zusammenhängen herauszureißen und in hierarchischen, altersmäßig auf einander aufbauenden Organisationen einzubinden und so dem Einfluss des Elternhauses zu entziehen.

Jungvolk, Hitlerjugend, SA, später der Reichsarbeitsdienst und dann die Wehrmacht. Die nachwachsenden Generationen sollten von klein auf indoktriniert und militaristisch erzogen werden.

„Diese Jugend, die lernt ja nichts anderes als deutsch denken, deutsch handeln, und wenn diese Knaben mit zehn Jahren in unsere Organisation hineinkommen, und dort oft zum ersten Mal überhaupt eine frische Luft bekommen und fühlen, dann kommen sie vier Jahre später vom Jungvolk in die Hitler-Jugend, und dort behalten wir sie wieder vier Jahre. Und dann geben wir sie erst recht nicht wieder zurück in die Hände unserer alten Klassen- und Standeserzeuger, sondern dann nehmen wir sie sofort in die Partei, in die Arbeitsfront, in die SA oder in die SS, in das NSKK und so weiter. Und wenn sie dort zwei Jahre oder anderthalb Jahre sind und noch nicht ganze Nationalsozialisten geworden sein sollten, dann kommen sie in den Arbeitsdienst und werden dort wieder sechs und sieben Monate geschliffen … Und was dann … an Klassenbewusstsein oder Standesdünkel da oder da noch vorhanden sein sollte, das übernimmt dann die Wehrmacht zur weiteren Behandlung auf zwei Jahre (Beifall), und wenn sie … zurückkehren, dann nehmen wir sie, damit sie auf keinen Fall rückfällig werden, sofort wieder in die SA, SS und so weiter, und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben! (Beifall)“1, so Adolf Hitler in einer Rede 1938 in Reichenberg.

Zunächst war der Eintritt freiwillig, aber Ende 1936 wurde die HJ offiziell zur Staatsjugend. Zwei Jahre später hatte sie sieben Millionen Mitglieder.

Im Gesetz über die Hitlerjugend vom 1. Dezember 1936 hieß es: „Die gesamte deutsche Jugend ist außer in Elternhaus und Schule in der Hitler-Jugend körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen.“

1932 hatte die Hitlerjugend etwa 20.000 Mitglieder und war bis dahin lediglich als Jugendabteilung der SA konzipiert. Das änderte sich mit der Machtübernahme der Nazis 1933. Bereits im April 1933 übernahm Baldur von Schirach, der Reichsjugendführer der HJ, den Reichsausschuss der deutschen Jugendverbände, der in der Weimarer Republik fünf bis sechs Millionen Jugendliche in verschiedensten Organisationen und Vereinen vertreten hatte. Mit dem Verbot der Jugendorganisationen politisch gegnerischer Parteien und der Übernahme rechtsstehender Organisationen wie der Jugend des Frontkämpferbundes des 1. Weltkriegs Stahlhelm wuchs die HJ schnell an Mitgliedern. Hinzu kam ein weiterer Mitgliederzuwachs mit der zwangsweisen Übernahme von Sportjugendorganisationen.

Am 17. Juni 1933 wurde Schirach mit einer Verfügung Hitlers zum Jugendführer des Deutschen Reiches. Damit war die noch bestehende legale Konkurrenz bündischer und freier Jugendorganisationen wie der Großdeutsche Bund faktisch ausgeschaltet. Die konfessionellen Jugendorganisationen wurden unter Druck gesetzt und die evangelische Jugend formal in die HJ eingegliedert.2

Mit dem Verbot und der Selbstauflösung konkurrierender Jugendbünde und Vereine nach 1933 blieben Jungvolk und HJ für Kinder und Jugendliche zunächst attraktiv, so verfügte von Schirach am 7. Juni 1934 den Samstag zum Staatsjugendtag. Am Samstag bestand Schulpflicht, aber mit der Neuregelung entfiel diese für die Mitglieder der Hitler-Jugend, die stattdessen für Veranstaltungen der HJ freigestellt wurden. Dies galt auch für das Jungvolk und die Jungmädel, sodass bereits in dritten und vierten Klassen der Volksschulen die Mitglieder der Nazi-Jugendorganisationen samstags schulfrei hatten und ihren Diensten nachkamen, was ein Mittun für die Kinder und Jugendlichen durchaus anziehend machte.

Die Entwicklung der Jahre bis zum Kriegsbeginn 1939 war gekennzeichnet von einem zahlenmäßigen starken Anwachsen der Mitgliedszahlen, zugleich nahm aber die Attraktivität der Nazi-Jugendorganisationen ab. Starre Strukturen, die immer gleichen Dienste in der HJ, militärischer Drill und Weltanschauungsabende, das führte nach anfänglicher Begeisterung für Ausmärsche, Zeltlager und Kriegsspiele in der Natur, gerade bei den Jungen schnell zu Ernüchterung. Wenn man nicht in eine Sonderabteilung kam wie der Motor-, Flieger-, Nachrichten- oder Marine-HJ und sich selbst nicht in der Rolle des Anführers sah, machte sich schnell Ernüchterung breit. Denn, anders als in den verbotenen Jugendbünden, waren Diskussionen in der Gruppe nicht opportun, stattdessen Anpassung gefordert.

Einweihung Hitler-Jugendheim Mahndorf 1934 – Aufnahme aus dem Stadtarchiv Achim
Einweihung Hitler-Jugendheim Mahndorf 1934 – Aufnahme aus dem Stadtarchiv Achim

Wer 10 Jahre alt war, konnte in das Deutsche Jungvolk eintreten. Diese Jungen wurden zunächst scherzhaft Pimpfe genannt, ab 1933 mussten sie sich dann so nennen. Zur Pimpf-Uniform gehörten Diensthose, Lederkoppel mit Koppelschloss, Braunhemd und Halstuch. Mitglied in der Hitlerjugend konnte man dann mit 14 Jahren werden.

Für Mädchen gab es ab 1926 zunächst die Schwesternschaften, die 1930 in Bund deutscher Mädel umbenannt wurden. Auch hier waren die 10- bis 13-Jährigen in einer Gruppierung, den Jungmädeln. Sie trugen einen dunkelblauen Rock, eine weiße Bluse und ein schwarzes Halstuch mit Lederknoten.

Alle diese Gruppen waren durchorganisiert in verschiedene Einheiten. Beim Jungvolk hießen diese z. B. Jungenschaft (10-15 Jungen), Jungzug (3 Jungenschaften), Fähnlein (4 Jungenzüge), Jungstamm (4 Fähnlein) und Jungbann (5 Stämme). Zum Programm bei den Jungmädeln und Pimpfen gehörten Ausflüge, Wanderungen und Märsche in der Natur. Gruppenspiele, Sportangebote und Theater- oder Musikaufführungen gehörten ebenfalls zum Angebot. Während die Jungen vor allem kräftig und zäh werden sollten, schulte man bei den Mädchen die gewünschten weiblichen Fähigkeiten wie Handarbeiten, Nähen und Basteln.3

Gegliedert war der BDM in Gaue, Mädelringe, Gruppen, Schare und Mädelschafte. Bis zum 14. Lebensjahr gehörten die Mädchen dem Jungenmädelbund an, bis 18 Jahre dem eigentlichen BDM und für die 18-21-jährigen jungen Frauen gab es das BDM – Werk Glaube und Schönheit. Geführt wurde der BDM zwischen 1939 bis 1945 von Dr. Jutta Rüdiger, einer promovierten Psychologin.

Das BDM-Werk Glaube und Schönheit wurde am 19. Januar 1938 auf der Führertagung der Hitler-Jugend (HJ) in Berlin als Unterorganisation des Bunds Deutscher Mädel (BDM) gegründet. Damit wollte das NS-Regime die Lücke in der Erfassung der 17- bis 21jährigen Frauen in NS-Organisationen schließen, die zwischen BDM und NS-Frauenschaft (NSF) bestand. Obwohl die Mitgliedschaft formal freiwillig war, wurden in der Praxis teilweise die älteren Jahrgänge aus dem BDM direkt übernommen. Laut Reichsjugendführer Baldur von Schirach sollte das Werk „Glaube und Schönheit“ die Erziehung zur „körperlich vollendet durchgebildeten Trägerin nationalsozialistischen Glaubens“ gewährleisten. Damit machte er die dem NS-Frauenbild entsprechende Zielsetzung des BDM-Werks deutlich: die Herausbildung der dem rassischen Ideal entsprechend körperlich vollendeten Frau, die als Mutter „arischer“ Kinder der Volksgemeinschaft dienen sollte.

Neben der Förderung dieser körperlichen Voraussetzungen durch den Sport standen Vorbereitungen auf die Hausfrauen- und Mutterrolle ganz im Vordergrund. Glaube und Schönheit war in Arbeitsgemeinschaften von zehn bis 30 Mitgliedern organisiert, die etwa ein Jahr dauerten und von Fachkräften unterrichtet wurden. Jeweils etwa zehn Arbeitsgemeinschaften bildeten eine BDM-Werk-Gruppe, die von einer BDM-Werk-Gruppenführerin geleitet wurde. Die wesentlichen Arbeitsgebiete waren Leibeserziehung, gesunde Lebensführung, persönliche Lebensgestaltung sowie politische und geistige Bildung. Gerade in großen Städten war das BDM-Werk durch vielfältige Arbeitsgemeinschaften attraktiv. Insbesondere im Bereich Sport gab es ein breites Angebot, das sich von Gymnastik und Tanz über Handball und Hockey bis zu Reiten, Rudern und Florettfechten erstreckte. Am stärksten besucht waren die praktisch orientierten hauswirtschaftlichen Kurse, die bewusst den Familiensinn der jungen Frauen fördern sollten. Ergänzend dazu wurden Arbeitsgemeinschaften für den Gesundheitsdienst oder die Kranken- und Säuglingspflege angeboten.4

Monatsheft „Pimpf“

Verschiedene regelmäßig erscheinende Zeitschriften für Jungvolk, HJ und BDM sollten die Kinder und Jugendlichen im Sinne der NS-Führung beeinflussen und die nationalsozialistische Weltanschauung bereits im Kindesalter verfestigen. Der Fokus der inhaltlichen Ausgestaltung und äußeren Aufmachung dieser Hefte veränderten sich mit dem Kriegsbeginn 1939. Besonders gut sehen kann man das an der Zeitschrift Pimpf, dem Monatsheftchen für das Jungvolk der 10 bis 14 Jährigen Knaben. Dieses Heftchen legte zunächst viel Wert auf Abenteuergeschichten und ebensolche Berichte, mit dem Kriegsbeginn im Herbst 1939 ersetzte nun mehr und mehr der Krieg das kindliche Abenteuer und die Jungen wurden aufgefordert, den Kampf an den Fronten durch ihren Einsatz in der Heimat zu unterstützen, sei es durch Sammlungen wie das Winterhilfswerk, Pakete, die unbekannten Soldaten zugeschickt wurden und – natürlich – durch die eigene Haltung.

HJ und BDM im Krieg

Bereits seit 1938 gab es mit der Kräftebedarfsverordnung eine allgemeine gesetzliche Dienstverpflichtung, mit der der NS-Staat sich den Zugriff auf Arbeiter und Angestellte für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung sicherte. Dies betraf z. B. den militärisch wichtigen Westwall oder die Hermann-Göring-Werke. In den ersten Kriegsjahren wurden rund 1,75 Millionen Männer dienstverpflichtet. Ab 1943 wurden auch Frauen in der Kriegswirtschaft zwangsverpflichtet. Der Ersatz der fehlenden männlichen Arbeitskräfte in der Wirtschaft und schließlich auch in der Wehrmacht in Deutschland und den besetzten Gebieten betraf in besonderem Maße auch die jungen Frauen des BDM.

Mit dem Angriff des nationalsozialistischen Deutschen Reiches auf Polen im September 1939 wurde die HJ mit eben der Situation konfrontiert, für die sie ideologisch und praktisch geschult worden war. Allein 314 zum Militär einberufene Vollzeit-HJ-Führer fielen diesem ersten Feldzug zum Opfer. Diese und die darauffolgenden Kriegsverluste wurden in der HJ aber als Erscheinungsformen des propagierten Heldentums vermittelt: „Die Schrecken des Krieges störten uns Knaben nicht, sie zogen uns an. Dass unsere Väter einberufen wurden, schien nur recht und billig. Und der ‚Heldentod‘ gehörte dazu. Viele der Lieder, die wir in der Schule und später in der Hitlerjugend lernten, handelten von der Ehre, fürs Vaterland zu sterben: Die Fahnen wehten ins Morgenrot und leuchteten zum frühen Tod, heilig Vaterland war in Gefahren, mochten wir sterben, Deutschland stürbe nicht, und fern bei Narvik lag ein kühles Grab.“5

Viele Hitlerjungen melden sich so früh wie möglich freiwillig an die Front. Die Verluste unter den 17-, 18jährigen waren hoch. Die SS Panzerdivision Hitlerjugend, die am 10. Februar 1943 als Eliteeinheit aufgestellt wurde, bestand überwiegend aus Soldaten des Jahrgangs 1926, also aus 17jährigen Hitlerjungen und wurde 1944 nach der Landung der Alliierten in der Normandie und später an der Ostfront und in der Ardennenoffensive eingesetzt. Allein vom Tag der Invasion, dem 6. Juni 1944 bis Mitte Juli hatte die Division in Frankreich 4.000 Tote und 8.000 Verletzte zu beklagen.

Die Division „Hitlerjugend“ war – so der Historiker Peter Lieb – „symbolisch das erste politisch-militärische Kind der ehemaligen Leibgarde Hitlers“. Lieb nennt die Division den „wohl […] am stärksten nationalsozialistisch indoktrinierte[n] Verband der gesamten deutschen Streitkräfte“. Die 1926 geborenen Rekruten waren im NS-Staat aufgewachsen und erzogen worden, kannten nur diese Ideologie und waren bereit, hierfür fanatisch zu kämpfen, so Lieb. Bis zum 1. September 1943 wurden über 16.000 Mitglieder der Hitler-Jugend eingezogen und erhielten eine sechswöchige Grundausbildung.6 Die Division wird für mehrere Kriegsverbrechen, so die Ermordung von 187 kanadischen Kriegsgefangenen verantwortlich gemacht.

Aber auch an der Heimatfront mussten Hitlerjungen und BDM-Mädels die Lücken schließen.

Den Mädchen und Frauen erging es im BDM nicht anders, mussten sie doch, dienstverpflichtet vielfach als sogenannte Blitzmädchen die Männer an verschiedensten Einsatzposten, vor allem im Heer, zeitweise auch in den besetzten Gebieten, ersetzen.

„Blitzmädel“ oder „Blitzmädchen“ war ein Spitzname aus der Soldatensprache, teilweise mit abwertendem Beiklang. Die Bezeichnung war vom Blitz-Emblem, dem Abzeichen auf dem Uniformärmel oder auf der Krawatte, abgeleitet, der Blitz wiederum war ein Emblem der Nachrichtentruppe von Wehrmacht und Waffen-SS. Mehr als eine halbe Million Frauen waren für kürzere oder längere Zeit Wehrmachtshelferinnen. Über die Hälfte von ihnen meldete sich freiwillig, die anderen waren notdienstverpflichtet oder kriegshilfsdienstpflichtig. Sie zählten wie die hilfswilligen Kriegsgefangenen zum sogenannten Behelfspersonal. Die Frauen wurden nicht nur im Reich eingesetzt, sondern zu einem kleinen Teil auch in besetzten Gebieten, so als Stabshelferinnen im Generalgouvernement, Frankreich, in Weißrussland, später auch in Jugoslawien, im Baltikum, Griechenland, Italien und im verbündeten Rumänien. Sie leisteten militärische Hilfsdienste, waren militärischen Vorgesetzten unterstellt und arbeiteten unter den Bestimmungen des Militärrechts. Sie arbeiteten vor allem als Telefonistinnen, Fernschreiberinnen, Funkerinnen, Stenotypistinnen, Bürohilfskräfte und Botinnen, in der Reichsluftverteidigung zur Abwehr feindlicher Flugzeuge, im Horchdienst, Flugwachdienst, Flugmeldedienst, Wetterdienst, Jägerleitdienst und Luftschutzdienst, bei der Flugabwehr an Flugabwehrkanonen (Flak) z.B. an Scheinwerfern oder als Hilfskanoniere an Flakhilfsgeräten sowie im Militärsanitätsdienst.7

Der Einsatz als Flakhelfer 1944/45 oder im Volkssturm mit den verheerenden und psychisch belastenden Kriegserlebnissen und einer hohen Todesrate stellten das Ende dieser auf die Bedürfnisse einer modernen Kriegsmaschinerie ausgerichteten Jugend dar.

Quellen

  1. Adolf Hitler in Reichenberg 1938, zitiert in: Michael Grüttner: Brandstifter und Biedermänner. Deutschland 1933–1939, Klett-Cotta, Stuttgart 2015, S. 288 f.
  2. S. Klönne, Arno, Jugend im Dritten Reich, Köln 2003, S. 22ff.
  3. Zeitklicks, in: http://www.zeitklicks.de/weimarer-republik/zeitklicks/zeit/alltag/kindheit-und-jugend/halt-im-jugendverein/
  4. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ns-organisationen/glaube-und-schoenheit.html (28.11.2019)
  5. Lemo, Lebendiges Museum Online, Stiftung Deutsches Historisches Museum, Berlin, https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ns-organisationen/glaube-und-schoenheit.html
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/12._SS-Panzer-Division_%E2%80%9EHitlerjugend%E2%80%9C (28.11.2019)
  7. https://de.wikipedia.org/wiki/Wehrmachthelferin (28.11.2019), s. dazu: Franz W. Seidler: Blitzmädchen. Helferinnen der Wehrmacht, Augsburg 2003.

Gesamttext: Dr. Stephan Leenen, Stadtbibliothek Achim